SCHIENE regional - Bahnthemen Südwest

© 2008 by Frank-D. Paßlick, Gengenbach
 

Badische Revolution

Versammlung der entschiedenen Freunde der Verfassung
am 12. September 1847 im Saal des Salmen zu Offenburg

Unsere Versammlung von entschiedenen Freunden der Verfassung hat stattgefunden. Niemand kann derselben beigewohnt haben, ohne auf das Tiefste angeregt und ergriffen worden zu sein. Es war ein Fest männlicher Entschlossenheit, eine Versammlung, welche zu Resultaten führen muß.

Jedes Wort, was gesprochen wurde, enthält den Vorsatz und die Aufforderung zu thatkräftigem Handeln. Wir nennen keine Namen und Zahlen. Diese thun wenig zur Sache. Genug, die Versammlung, welche den weiten Festsaal füllte, eignete sich einstimmig die in folgenden Worten zusammengefaßten Besprechungen des Tages an:

Die Forderungen des Volkes in Baden:

I. Wiederherstellung unserer verletzten Verfassung.

Art. 1.

Wir verlangen, daß sich unsere Staatsregierung lossage von den Karlsbader Beschlüssen vom Jahr 1819, von den Frankfurter Beschlüssen von 1831 und 1832, und von den Wiener Beschlüssen von 1834. Diese Beschlüsse verletzen gleichmäßig unsere unveräußerlichen Menschenrechte wie die deutsche Bundesakte und unsere Landesverfassung.

Art. 2.

Wir verlangen Preßfreiheit; das unveräußerliche Recht des menschlichen Geistes, seine Gedanken unverstümmelt mitzutheilen, darf uns nicht länger vorenthalten werden.

Art. 3.

Wir verlangen Gewissens= und Lehrfreiheit. Die Beziehungen des Menschen zu seinem Gotte gehören seinem innersten Wesen an, und keine äußere Gewalt darf sich anmaßen, sie nach ihrem Gutdünken zu bestimmen. Jedes Glaubensbekenntnis hat daher Anspruch auf gleiche Berechtigung im Staate.
Keine Gewalt dränge sich mehr zwischen Lehrer und Lernende. Den Unterricht scheide keine Confession.

Art. 4.

Wir verlangen Beeidigung des Militärs auf die Verfassung.
Dem Bürger, welchem der Staat die Waffen in die Hand gibt, bekäftige gleich den übrigen Bürgern durch einen Eid seine Verfassungstreue.

Art. 5.

Wir verlangen persönliche Freiheit.

Die Polizei höre auf die Bürger zu bevormunden und zu quälen. Das Vereinsrecht, ein frisches Gemeindeleben, das Recht des Volkes sich zu versammeln und zu reden, das Recht des Einzelnen sich zu ernähren, sich zu bewegen und auf dem Boden des deutschen Vaterlandes frei zu verkehren – seien hinfüro ungestört.

II. Entwicklung unserer Verfassung.

Art. 6.

Wir verlangen Vertretung des Volkes beim deutschen Bunde.
Dem Deutschen werde ein Vaterland und eine Stimme in dessen Angelegenheiten. Gerechtigkeit und Freiheit im Inneren, eine feste Stellung im Auslande gegenüber gebühren uns als Nation.

Art. 7.

Wir verlangen eine volksthümliche Wehrverfassung. Der waffengeübte und bewaffnete Bürger kann allein den Staat schützen.
Man gebe dem Volke Waffen und nehme von ihm die unerschwingliche Last, welche die stehenden Heere im auferlegen.

Art. 8.

Wir verlangen eine gerechte Besteuerung.
Jede trage zu den Lasten des Staates nach Kräften bei. An die Stelle der bisherigen Besteuerung trete eine progressive Einkommenssteuer.

Art. 9.

Wir verlangen, daß die Bildung durch Unterricht allen gleich zugänglich werde. Die Mittel dazu hat die Gesammtheit in gerechter Vertheilung aufzubringen.

Art. 10.

Wir verlangen Ausgleichung des Mißverhältnisses zwischen Arbeit und Capital. Die Gesellschaft ist schuldig die Arbeit zu heben und zu schützen.

Art. 11.

Wir verlangen Gesetze, welche freier Bürger würdig sind und deren Anwendung durch Geschworenengerichte.
Die Bürger werden von dem Bürger gerichtet. Die Gerechtigkeitspflege ist Sache des Volkes.

Art. 12.

Wir verlangen eine volksthümliche Staatsverwaltung.
Das frische Leben eines Volkes bedarf freier Organe. Nicht aus der Schreibstube lassen sich seine Kräfte regeln und bestimmen. An die Stelle der Vielregierung der Beamten trete die Selbstregierung des Volkes.

Art. 13.

Wir verlangen Abschaffung aller Vorrechte.
Jedem sei die Achtung freier Mitbürger einziger Vorzug und Lohn.

Offenburg, 12. September 1847